Wo bitte geht’s hier zur Natur?

In Brandenburg gibt es viel Schönes zu entdecken. Wer aber Pech hat, erlebt auf seiner Tagestour nicht dörfliche Idylle und Natur, sondern ausgeräumte Agrarlandschaften und eintönige Forst-Monokulturen, in denen über weite Strecken kein Vogel, keine blühende Pflanze und kein Insekt mehr zu finden sind.

Während die Landwirtschaft in früheren Zeiten quasi nebenbei eine ansehnliche Kulturlandschaft hinterlassen hat, die noch heute von vielen Menschen als schön empfunden wird, ist das bei unserer heutigen industriell geprägten Landwirtschaft leider nicht mehr der Fall, und oft stehen sich die Interessen von Tourismus und Landwirtschaft diametral gegenüber. In besonders unangenehmer Erinnerung habe ich eine Tour auf dem Fläming Skate, bei der ich innerhalb eines Tages 3x in Pestizid-Abdriftwolken geraten bin, da auf mehreren Feldern entlang der Route gespritzt wurde.

Agrarindustrie
Landschaft am Fläming Skate
Uckermark-Landschaft
Uckermark bei Gerswalde
Spargelfeld-Tristesse
Spargelfeld bei Beelitz  
Agrarlandschaft
Agrarlandschaft bei Lebus
Wanderweg zwischen Ihlow und Buckow
Spuren von Forstmaschinen
Kiefern-Monokultur
Forst-Monokultur mit Kahlschlag

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                    

 

 

 

Doch es gibt auch Positives zu berichten: In Deutschland zählt Brandenburg zu den Bundesländern mit den meisten und flächenmäßig größten Naturschutzgebieten, sowie den noch größten unzerschnittenen verkehrsarmen Räumen (UZVR), d. h. nicht durch große Verkehrsadern zerschnittene Flächen ≥ 100 km². Für Radtouren abseits des Verkehrslärms also recht gute Bedingungen.

Zudem ist der Anteil ökologisch bewirtschafteter Flächen hier mit 10,5 % vergleichsweise hoch (Bundesdurchschnitt 6,5%). Ich kann jedem nur empfehlen, sich einmal das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin anzusehen, in dem auf über 30% der Fläche ökologische Landwirtschaft betrieben wird. Hier findet man im Sommer noch blühende Felder und eine abwechslungsreiche Natur mit Vögeln, Schmetterlingen und Feldhasen.

Feldblumen_02
Kornfeld in der Schorfheide
Feldblumen_03
Kornfeld in der Schorfheide
Ringelnatter (Natrix natrix)
Ringelnatter, Schorfheide-Chorin
Dukatenfalter (Lycaena virgaureae)
Dukatenfalter, Schorfheide-Chorin

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Naturnahe Routen – Tipps für die Planung

Wie erkennt man nun aber – am besten schon bei der Tourenplanung – ob sich eine Region als Ausflugsziel für Naturliebhaber lohnt oder eher nicht? Hundertprozentig lässt sich so etwas natürlich nicht voraussehen, und oft erweist sich eine Region als unerwartet schön oder auch unerwartet enttäuschend. Aber wie die Erfahrung zeigt, gibt es doch einige Anhaltspunkte:

 Nationalpark, Naturpark und Biosphärenreservat

Zunächst könnte man sich an den offiziellen Schutzgebieten orientieren, in der Hoffnung dort noch eine intaktere Natur zu finden. Hinter den drei Bezeichnungen verbergen sich jedoch ganz unterschiedliche Konzepte:

Nationalparks stellen die strengste Schutzkategorie dar. Hier sollen menschliche Eingriffe minimiert und die Natur zum Großteil sich selbst überlassen werden, was folglich auch für Naturfreunde interessant ist. In Brandenburg gibt es leider nur einen Nationalpark – den Nationalpark Unteres Odertal – der sich bei einer Tour auf dem Oder-Neiße-Radweg besuchen lässt. Wer nicht nur auf dem Asphaltweg bleibt sondern gelegentlich auch Abstecher an die Oderhänge oder in die Flussauen macht, kann hier eine interessante Tier- und Pflanzenwelt entdecken (was übrigens auch für andere Oderabschnitte außerhalb des Nationalparks gilt).

Biosphärenreservate sind Modellregionen, in denen neben dem Naturschutz auch ein nachhaltiges Wirtschaften entwickelt werden soll (in Brandenburg: Schorfheide-ChorinSpreewald und Flusslandschaft Elbe-Brandenburg). Meist ist der Anteil ökologischer Landwirtschaft höher, was sich spürbar positiv auf die Natur auswirkt. Bei meinen Touren habe ich schon mehrmals das Überqueren der Grenze zum Biospärenreservat Schorfheide-Chorin – auch ohne auf die Karte zu schauen – an der plötzlich größeren Zahl von Schmetterlingen bemerkt.

Naturparks sind Kulturlandschaften, die der Erholung dienen sollen (in Brandenburg z. B. Westhavelland, BarnimUckermärkische SeenMärkische Schweiz, Hoher Fläming etc.). Wer weniger stark verbaute Landschaften sucht, ist hier gut aufgehoben. Dass Naturparks besondere Naturerlebnisse bieten (z. B. häufigere Begegnungen mit Tieren, höhere Zahl von Blütenpflanzen am Wegesrand) konnte ich jedoch nicht feststellen, da auch hier größtenteils eine intensive Landwirtschaft praktiziert wird.

Tipp: Gute Übersichtskarten der Naturparks und Biosphärenreservate enthalten die vom Landesamt für Umwelt herausgegebenen Gebietsfaltblätter, die sich unter https://www.natur-brandenburg.de/service/publikationen herunterladen lassen.

 Hotspots der Biodiversität

Das Bundesamt für Naturschutz hat im Rahmen der 2007 beschlossenen Nationalen Biodiversitätsstrategie 30 deutsche Hotspots der Biodiversität ermittelt, die über eine besondere Vielfalt an Arten und Lebensräumen verfügen. Die 30 Regionen nehmen zusammen 11% der Fläche Deutschlands ein, und man kann daraus folgern, dass es sich bei diesen 11% um die für Naturfreunde interessantesten Regionen handelt. In Brandenburg wurden das Mecklenburgisch-Brandenburgische Kleinseenland und die Schorfheide mit der Neuenhagener Oderinsel als Hotspot-Regionen ermittelt.

Tipp: Detailkarten und Beschreibungen der Regionen finden sich unter https://biologischevielfalt.bfn.de/bundesprogramm/foerderschwerpunkte/hotspots.html

 Großflächige vs. kleinteilige Struktur

Große unbewaldete Flächen sind meist agrarisch genutzt und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass dort wenig Rücksicht auf die Natur genommen wird. Kleinteilige Strukturen auf der Landkarte weisen darauf hin, dass das Bodenrelief für die Landwirtschaft schwierig ist, so dass die Natur hier wichtige Rückzugsräume findet. Touren entlang von Seenketten, Bächen, Senken und Hängen – von denen es in Brandenburg aufgrund des eiszeitlich geprägten Reliefs ja glücklicherweise viele gibt – sind daher immer recht vielversprechend.

 Windparks

Windparks sind ebenfalls ein guter Hinweis auf stark genutzte und wenig attraktive Agrarlandschaften. Die Standorte von Windparks (auch solchen in Planung) lassen sich der Brandenburger Energiekarte entnehmen. Aber auch auf der OpenStreetMap und der von mir genutzten OpenFietsMap (siehe Routenplanung mit Basecamp und der OpenFietsMap) sind bei entsprechend großem Zoomlevel die Standorte von Windkraftanlagen erkennbar. Besonders viele finden sich in der nördlichen Uckermark und in den Regionen Barnim, Fläming und Prignitz. Auch bei Nauen und Frankfurt/Oder finden sich Schwerpunkte.

 Laubwälder vs. Nadelwälder

Ein sehr nützliches Werkzeug ist die von der EU erstellte CORINE-Land-Cover Karte. Auf dieser werden anhand von Satellitenbildern Formen der Landnutzung kartiert. Auf der im Rahmen dieses Projektes entstandenen Waldkarte „Forest Areas in Europe“ sind Nadelwälder dunkelgrün und Laub-/Mischwälder hellgrün eingezeichnet. Da reine Nadelwälder bei uns (außer in Höhenlagen) nicht heimisch sind, handelt es sich bei den dunkelgrünen Flächen ausschließlich um Fichten- & Kiefer-Monokulturen. Wer naturnahe Wälder sucht, kann sich also an den hellgrün markierten Flächen orientieren.

 Nähe zu Autobahnen

Kurioserweise befinden sich an Autobahnen gelegentlich interessante Biotope. Die Tiere scheinen sich an das Geräusch gewöhnt zu haben, für mich als Ruhe suchendem Städter ist die Nähe zu Autobahnen und stark befahrenen Bundesstraßen jedoch ein Ausschlusskriterium. In offenen Landschaften ist das Verkehrsrauschen oft 2–3 km weit zu hören.

 Nähe zu Berlin

Wer erholsame und noch nicht so stark überlaufene Natur sucht, sollte in jedem Fall das Einzugsgebiet der Berliner S-Bahn hinter sich lassen. Hier gilt der Grundsatz: Schön wird es erst dort, wo die S-Bahn nicht mehr fährt. Das Verkehrsmittel der Wahl ist für alle Natursuchenden daher der Regionalzugverkehr.