Von Doberlug an die Schwarze Elster
An einem warmen Sommertag, der immer wieder von kurzen Regenschauern unterbrochen wird, mache ich mich auf in den äußersten Süden Brandenburgs, und zwar in den Naturpark Niederlausitzer Heidelandschaft. In dieser verschlafenen Region mischen sich die Zeugnisse mittelalterlicher Geschichte (in Form zahlreicher Feldsteinkirchen) mit den Hinterlassenschaften des Braunkohletagebaus, der hier ab 1850 bis in die 1960er Jahre hinein betrieben wurde. Eine interessante Mischung, die einen spannenden Ausflug verspricht.
Ich starte am Bahnhof Doberlug-Kirchhain und verlasse den Ort in südöstlicher Richtung. Schon auf den ersten Metern bin ich angenehm überrascht über die große Zahl von Wildblumen an den Straßenrändern. Vor allem die blau blühenden Wegwarten (Cichorium intybus) sind als typische Art des Hochsommers überall zu sehen, aber auch Mohn, Malven und Kornblumen sind hier noch recht häufig.
In Lugau treffe ich auf die erste mittelalterliche Feldsteinkirche aus dem 13. Jahrhundert (siehe auch Tourbericht Feldsteinkirchentour im Hohen Fläming). Diese hier hat einen markanten Zwillingsturm.
Weiter geht es über das Dorf Fischwasser. In den Straßengräben blüht überall das Mädesüß (Filipendula ulmaria), das einen zarten Mandelduft verströmt und verschiedene Arten von Rosenkäfern anlockt, während an den Getreidefeldern das Rot des Klatschmohns (Papaver rhoeas) leuchtet.
Hinter Oppelhain und Gorden durchquere ich dann ein größeres Waldgebiet, an dessen Stelle sich bis in die 1960er Jahre hinein ein Braunkohle-Tagebaurevier befand. Während einige der Restseen wie z. B. der Grünwalder Lauch heute als Erholungsgebiete genutzt werden, tragen andere eher profane Namen wie „Restloch 118“ oder „Restloch 111“ (siehe Bild). Leider sind diese zum Teil stark versauert: mit einem pH-Wert von 2,6 hat der See in etwa den Säuregrad von Essig. Auch der rötliche eisenhaltige Schlamm an den Ufern lädt nicht gerade zu einem Bad ein.
Gegen Mittag erreiche ich den Ort Plessa, der direkt an der Schwarzen Elster liegt. Gleich am Ortseingang passiere ich das monumentale Industriedenkmal Kraftwerk Plessa, eines der ältesten noch erhaltenen Braunkohlekraftwerke, das von 1927 bis 1992 in Betrieb war und heute als Museum besichtigt werden kann.
Deutlich älter ist die Elstermühle Plessa, in der sich ein Mühlenmuseum und ein Restaurant befinden. Hier überquere ich den Fluß und fahre ein Stück am Uferweg entlang.
Die Schwarze Elster ist ein idyllischer Fluss, was sich leider dramatisch ändert, wenn der aus Richtung Lauchhammer kommende und stark mit Sulfaten und Eisenhydroxid belastete Hammergraben seine giftige Fracht in die Elster entleert. Es ist ein Trauerspiel mit anzusehen, wie sich eine saure orangerote Brühe in den bis dahin sauberen Fluss ergießt, wobei sich gelblichweiße Ausflockungen bilden. Rund 200 000 Kubikmeter Ockerschlamm müssen jährlich aus den Flüssen der Lausitz gebaggert werden, ebenfalls eine Hinterlassenschaft des Braunkohletagebaus.
Bei Plessa habe ich den südlichsten Punkt meiner Tour erreicht und fahre nun wieder nach Norden in Richtung Hohenleipisch. Auf einem gut ausgebauten Radweg durchquere ich ein großes Waldgebiet mit dem Namen NSG Forsthaus Prösa, einem ehemaligen Truppenübungsplatz der DDR. Auf einen Besuch der offenen Heideflächen verzichte ich aufgrund der sengenden Hitze. Dafür entdecke ich an einem Waldweg eine unglaubliche Zahl von Wachtelweizen-Scheckenfaltern (Melithaea athalia), die sich auf Einjährigem Berufkraut tummeln. Wohl an die 60 bis 80 Falter mögen es sein.
Die Kirche in Friedersdorf hat den typischen 4-teiligen Aufbau mittelalterlicher Kirchen (Turm, Schiff, Chor und Apsis). Ungewöhnlich ist jedoch das verwendete Baumaterial – es ist sogenannter Raseneisenstein, ein Eisenerz, das hier in der Gegend vorkommt und für eine warme und rustikale Anmutung sorgt. Auch die nahegelegenen Kirchen in Gruhno und Lindena wurden aus diesem Material gebaut.
Schließlich erreiche ich wieder Doberlug, wo ich noch Zeit habe mir das Schloss Doberlug und das direkt dahinter liegende Zisterzienserkloster Dobrilugk anzusehen. Leider wurde das ganze Gelände dem Zeitgeist folgend mit Betonelementen und Edelstahlgeländern in steril-moderner Optik umgestaltet, wodurch jeglicher historische Charme verschwunden ist. Auch einen Klostergarten oder schöne Bepflanzung sucht man hier vergeblich.
Es folgt abschliessend noch eine 2-stündige Zugfahrt nach Berlin, mit Umstieg entweder in Calau oder in Cottbus. In meinem Fall wurde die Rückreise noch ein besonderes Erlebnis, da in Finsterwalde an diesem Sonntag ein Musikfestival zuende ging, und hunderte von Jugendlichen mit Rucksäcken und Campingausrüstungen in den Zug drängten. Kuscheliger kann auch die Fahrt in einem Vorortzug im indischen Mumbai kaum sein. Trotz des langen Anfahrtweges war es jedoch eine lohnenswerte Tour in eine Region, die für Naturfreunde, Liebhaber alter Kirchen und Industrieromantiker gleichsam interessant sein dürfte.
Zurückgelegte Strecke: 57 km
Eine ähnliche, etwas kürzere Tour (ohne Abstecher nach Plessa) ist als Radwanderweg Auf den Spuren der Mönche von Dobrilugk ausgeschildert. Von der Naturparkverwaltung gibt es hierzu auch ein schönes PDF-Faltblatt.